Sophie Eliot (2018)

Von zentraler Bedeutung in den Arbeiten von Christophe Ndabananiye ist die Erinnerung, genannt Ukumbusho auf Suahili, seiner ersten Muttersprache. Er rekurriert dabei auf Spuren sowohl als konzeptuelle Grundlage seiner Werke als auch als ihr Material, dort wo sie im Zurücklassen von Menschen und Objekten den Zustand von Heimatlosigkeit und Zerstörung signalisieren. Er verarbeitet dabei biografische Erfahrungen von radikaler Angst und Verlust verbunden mit der Ungewissheit der Zukunft. Bevorzugt verwendet er industrielle Lackfarbe aufgrund ihres zerstörerischen Potenzials als giftige Farbe und zugleich wegen ihrer Funktionalität. Nicht „schöne unmündige Farben“ interessieren ihn, sondern eine neue Prozedur des Auftragens zu kreieren. Inspiriert von der fotografischen Entwicklung im Labor reproduziert er diesen Vorgang malerisch in seinen seriellen Selbstporträts aus großformatigen Negativen auf Spanplatten (Selbstporträt, 2004). Er experimentiert auch auf Styroporplatten (Kucheza, 2015), wo die zersetzenden Effekte der Lackfarbe als Spur besonders sichtbar werden.

Immer wieder kehrt Christophe Ndabananiye auf der Suche nach der Geborgenheit der ersten Muttersprache zu seinen Wurzeln zurück, wie 2011 nach Ruanda mit dem Projekt Traces und 2018 in die Demokratische Republik Kongo zum Austausch und Dialog mit Künstler*innen in Lubumbashi. In Ruanda dokumentiert er durch das Medium Fotografie verlorene, in die ockerfarbene Erde fast versunkene, kaum noch sichtbare Schuhe und häuft ihre analogen Reproduktionen in einer Bodeninstallation (Die Zurückgelassenen, 2013) an. In einer anderen Rauminstallation steht der Schuh für unsichtbare Geschichten und für Anonymität in der Abwesenheit ihrer Träger*innen (Der Schuh persönlich vs. unpersönlich, 2008). Die Schuhe evozieren dabei einen ungewissen Tod, auch wenn ihre Besitzer*innen noch leben.

Christophe Ndabananiye nahm an verschiedenen Ausstellungen teil wie bei SAVVY Contemporary Berlin, im Kunstraum Kreuzberg (Berlin), in der Galerie Listros (Berlin) und im Iwalewa-Haus (Bayreuth). Vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) wurde sein Projekt Spuren (2011) mit einer Ausstellungsförderung  und einer Recherchereise in die DR Kongo (2018) durch das Programm Künstlerkontakte gefördert. Christophe Ndabananiye ist Preisträger der Villa-Romana 2018, einem zehnmonatigen Stipendium mit Atelier im Künstlerhaus Villa Romana in Florenz (Italien). Dort setzt er mit Lackfarbe die Arbeiten an seiner abstrakten Serie Selbstporträt III zum Thema der Erinnerungsarbeit fort.

Christophe Ndabananiye lebt und arbeitet seit 2009 in Berlin. Er wurde 1977 als Sohn ruandischer Eltern in Lubumbashi (Demokratische Republik Kongo) geboren. Mit neun Jahren zog er mit seiner Familie nach Ruanda und kam mit achtzehn nach Deutschland. In Ruanda besuchte er die Kunstschule Nyundo in Gisenyi bis 1994. Die Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBKsaar) in Saarbrücken (Deutschland) absolvierte er 2008 bei Prof. Daniel Hausig. 2006-2007 verbrachte er ein Auslandssemester an der Hochschule der Künste auf der Insel La Réunion (Frankreich). Er war u. a. wissenschaftlicher Mitarbeiter im Medienlabor zur Kunst Afrikas an der Freien Universität Berlin. Für seine erste Kunst-Station in Deutschland, im Jahre 2000, komponierte er Farbleisten auf die Ausstellungscontainer des Projekts ZimmerWelten 2000 im LWL-Freilichtmuseum (Detmold) für die Projektkooperation der Architekten Popp / Streib, München und Tobey, Detmold.

Christophe Ndabananiye
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Von Sophie Eliot (2018)